Woitzdorf - Vojtiskov

Woitzdorf liegt im oberen Marchtal, am Südhange des Saubergs (1074m hoch). Der Sauberg ist das südlichste Glied einer Kette von einem Grat verbundenen Gipfeln deren höchster der Spieglitzer Schneeberg ist, oder anders ausgedrückt, der südlichste Ausläufer des mährischen Kamms.

Die Geschichte von Woitzdorf, wie auch der umliegenden Gemeinden Waltersdorf, Neudorf, Klein Mohrau und Glasdörfel ist sehr wechselvoll.

Gegründet wurde Woytechsdorph, wie es am Anfang hieß, wohl zwischen 1265 und 1280. Wahrscheinlich war es im Zuge einer Gründungswelle aus dem schlesischen Raum besiedelt worden. Sehr viele Orte zwischen Mährisch Schönberg und Freiwaldau gehen auf dieses Datum zurück.

So wie es sich darstellt hat sich diese Gemeinde sehr gut entwickelt und hatte bereits 1325 einen Nebenort gleichen Namens vermutlich an der Stelle von Neudorf hervorgebracht. 1325 war die erste urkundliche Erwähnung dieser beiden Orte, wie auch vieler umliegenden Orte. Lesen sie hierzu auch "Die Chronik von Mährisch Altstadt".

Die Anlage des Ortes war fränkisch, d.h. eine Dorfstraße mit beidseitigen Gehöften. Vergrößert wurde der Ort längsseitig in der Straßenrichtung. Interessanterweise hat sich der fränkische Siedlungscharakter auch nach der Neubesiedlung nicht verändert.

Woitzdorf , 1984 von Grumberg / Podlesi aus fotografiert

In einer Urkunde vom 3.Mai 1325 schenkt Johannes, genannt Wustehube, Herr auf Goldenstein, dem Kloster Kamenz in der Breslauer Diözese die Stadt Goldeck (Mähr.Altstadt) mit den von altersher dazugehörenden Niklasdorph, Stubensyfen, Wynrebe, Cunzendorf, Spyllix, Kraftesdorph, Syfridesdorph, Waltersdorph und beide Woytechsdorph.

Die Vernichtungsfeldzüge der Husitten vernichten Woitzdorf und die umliegenden Orte im oberen Marchtal. Die Husitten waren auf einigen Zügen nach Schlesien gekommen, der größte Feldzug fand jedoch 1432 statt. Die Vernichtung der einzelnen Orte war wohl unterschiedlich stark, je nachdem, ob einige Bewohner sich in die Wälder flüchten konnten. Die Vernichtung war total, Bewohner wurden ausnahmslos auf bestialische Weise getötet, alle Häuser und anderen Gebäude abgebrannt.

In den Geschichtsbüchern werden die Husittenfeldzüge allgemein als religiös begründet dargestellt. Aber gibt es eine Religion, die eine solche Vorgehensweise rechtfertigen könnte? Die Unterschiede zu der katholischen Kirche waren zu gering, als das die Ursache gewesen sein könnte. Ein weiteres Argument dagegen ist die Führung der Husitten. Nicht etwa ein aufmüpfiger Kleriker hat die Husitten geführt, sondern ein alternder, abgehalfterter österreichischer General namens Ziska. Als alter Militär hat Ziska natürlich gewußt, das ein fanatisierter Krieger in seiner Kampfkraft unmotivierten Söldnern um ein Vielfaches überlegen war. Außerdem wurde durch geschickte Propaganda die Kampfkraft und die Grausamkeit der Husittenkrieger verbreitet, und so kam es, das auch zahlenmäßig vielfach stärkere Heere planlos die Flucht ergriffen, wenn die Husitten im Anzuge waren.

Verschiedene Städte, so auch Mährisch Schönberg haben sich durch zeitige Unterwerfung und wahrscheinlich hohe Zahlungen gegen die Husittengreuel geschützt. Auch das ein Argument gegen eine religiöse Ursache.

In erster Linie wurden natürlich Orte in Böhmen und Mähren betroffen, aber auch in Ostbayern, Sachsen (allein in Sachsen über 1000 vernichtete Gemeinden) und Schlesien. Sogar bis nach Danzig hinauf zogen die Husitten. Weniger jedoch nach Süden, wo Österreich mit seiner gutgeölten Kriegsmaschinerie stand, die Ziska nur zu gut kannte und wohl auch fürchtete.

Wem aber haben diese Feldzüge genutzt, und wem ist am wenigsten geschadet worden?

Fest steht, das sich der böhmische Adel von den Husitten schon vor den Feldzügen seine Privilegien bestätigen ließ. Es ist zu vermuten, das dies gegen hohe Summen Geldes geschah. Mit diesen Summen war Ziska in der Lage, seine Leute zu schulen, also zu fanatisieren und auszurüsten. Als er dann loszog, um sein Werk zu tun, vernichtete er die Wirtschaftskraft der nördlich und westlich angrenzenden Länder, sowie unliebsame Konkurrenz im eigenen Land. Wirtschaftskraft, die in den zwei vorhergehenden Jahrhunderten unablässig stärker geworden war. Es war kein Feldzug gegen deutschsprachige Menschen, auch wenn die Betroffenen in der Regel diese Sprache hatten. Das war nicht das Ziel, denn auch bei den Husitten befanden sich deutschsprachige Menschen, und auch die Bewohner von Mährisch Schönberg hatten diese Sprache.

Den Auswirkungen nach waren diese Feldzüge eindeutig wirtschaftlich motiviert.

Woitzdorf verödete nach diesen Feldzügen. Ob es Überlebende gab, ist ungewiß. Möglicherweise haben sich Überlebende zunächst versteckt, und sind nachdem die Husittenzüge aufhörten in das 1436 gegründete Glasdörfel gezogen um weiter überleben zu können.

So um 1500 oder kurz danach wurde Woitzdorf neu besiedelt. Die neuen Bewohner kamen auch wieder aus Schlesien, sie brachten ihren Glauben mit, sie waren protestantisch. Der Ortsname hatte sich auch geändert, nunmehr in Woitzdorf, nicht mehr Woytechsdorph. Es gibt viele Namensgleichheiten zwischen Schlesien und Nordmähren. Es ist zu vermuten, das die überwiegende Anzahl der Neusiedler aus einem Ort namens Woitzdorf in Schlesien kamen. Es gab dort mindestens zwei Orte dieses Namens. Favorit ist das Woitzdorf südlich von Jauernig. Die Wahrscheinlichkeit ist relativ hoch, denn etwas südlich davon gibt es einen kleinen Ort namens Neudorf. 1560 wurde das Neudorf bei Woitzdorf gegründet, das vor seiner Vernichtung ebenfalls Woytechsdorph geheißen hatte. Eine solche Übereinstimmung eines Paares so unterschiedlicher Ortsnamen wäre ein Zufall, vergleichbar mit der Wahrscheinlichkeit eines Lotteriegewinns.

Die Neusiedlung erfolgte nicht willkürlich und planlos, sondern sie beachtete die Gegebenheiten des zerstörten Woytechsdorph. So waren entweder zerstörte Mauerreste vorhanden, oder vielleicht auch alte Katastralaufzeichnungen in Goldenstein. Ein Indiz dafür ist, das die neue Dorfbevölkerung ihr hölzernes Bethaus fast oder ganz ortsgleich vermutlich auf die Fundamente einer vorhussitischen Kirche setzte.

Ein Anhaltspunkt dafür gibt es: bei einem Besuch 1984 fanden Bauarbeiter beim Umbau des ehemaligen Schulgebäudes zu einem Hotel menschliche Skelette, die in den Fundamenten eingemauert waren.

Woitzdorf, ca.1935
Woitzdorf, Schule , Kirche, Pfarrhaus

In der Chronik von Alois Röttel ist nachzulesen, das die neue Kirche zwischen 1807 und 1809 in östlicher Richtung in nicht allzuweiter Entfernung (vom Bethaus) gebaut wurde. Demzufolge müßte das Bethaus westlich der Kirche gelegen haben, entweder unter dem Schulgebäude, oder etwas westlich davon.

Bei Bauarbeiten an den Fundamenten der Schule in den 80er Jahren wurden menschliche Skelette entdeckt. Wie Erhard Röttel, der Sohn des Verfassers der Chronik, in Erfahrung bringen konnte, sind nach einer Untersuchung die Skelette 200 Jahre oder länger an dieser Stelle gewesen. Bei solchen Untersuchungen ist immer eine große Spanne an Unsicherheit möglich, im Gegensatz zu Bestimmungen bei Holzresten. Es kann also durchaus sein, das die Skelette sich schon länger dort befanden. Nach meiner Meinung stammen diese Skelette von Geistlichen, die nach mittelalterlichem Brauch unter einer gemauerten Kirche bestattet wurden. Sie müßten an dieser Stelle, geschützt durch das Mauerwerk, das sie umgab mindestens 550 Jahre gelegen haben. Diese Kirche wurde vermutlich durch die Husitten zerstört. Woytechsdorph müßte damals schon eine ansehnliche Größe erreicht haben.

Da Woitzdorf erst um 1780 wieder einen eigenen Geistlichen hatte, und es zu dieser Zeit wohl nicht mehr üblich war, diese in oder unter der Kirche beizusetzen, ist es nicht sehr wahrscheinlich das die Beisetzungen erst später stattfanden. Eine aus Stein gemauerte Kirche gab es erst wieder an anderer Stelle ab dem Jahre 1809.

Der dreißigjährige Krieg hemmt die Entwicklung von Woitzdorf stark. Bald nach Beginn des Krieges, wurde das Bethaus für die mittlerweile wohl wieder katholische Bevölkerung umgebaut. Diese Katholisierung muß nicht aus Überzeugung stattgefunden haben, denn die Regelung war damals so, das die Bevölkerung den selben Glauben haben mußte, wie die Herrschaft (Goldenstein).

Ein kriegerisches Ereignis gab es bei Woitzdorf, am sogenannten Schlachtgraben südlich des Walbergsdorfs fand kurz vor Ende des dreißigjährigen Krieges ein Scharmützel zwischen einer schwedischen Einheit und einem bewaffneten Bauernhaufen statt. Es muß heftig zur Sache gegangen sein, denn "das Wasser der March war rot vom Blut der Erschlagenen". Die Schweden blieben noch zwei Jahre nach dem Friedensschluß in der Gegend, bis alle ausstehenden Tributzahlungen geleistet waren.

Erst nach dem Krieg 1618-1648 nahm Woitzdorf wieder einen Aufschwung und die Anzahl der Häuser wuchs wieder an. So um 1780 bekam Woitzdorf eine eigene Pfarre, und zwischen 1807 und 1809 wurde die neue Kirche auf ein Grundstück gebaut, das der Bauer Ignatz Schwarzer zu diesem Zweck zur Verfügung stellte. Der Fürst Johann von Liechtenstein, dem auch fast ein Drittel des Landes in Woitzdorf gehörte, hatte sich finanziell am Bau der Kirche beteiligt, weshalb er auch über dem Kirchenportal genannt wird.

Woitzdorf, Kirche 1984

Der erste Weltkrieg 1914-1918 kostete den Ort einen großen Teil seiner männlichen Bevölkerung. Die politische Lage veränderte sich drastisch, trotzdem setzte sich der Fleiß und die Ausdauer der an den Kampf mit der Witterung gewohnten Bergbevölkerung durch, und bis zum Ausbruch des genauso unsinnigen zweiten Weltkrieges konnte wieder eine Erholung stattfinden.

Nach der Vertreibung der deutschen Bevölkerung fand allgemein in der ganzen Region ein wirtschaftlicher Abschwung statt, der sich in den Bevölkerungszahlen wiederspiegelt.

Man kann nicht sagen, wie es abgelaufen wäre, wenn die deutschen Einwohner hätten dort bleiben können. Sicher wären die strukturellen Probleme ähnlich aufgetreten, denn der vorwiegend landwirtschaftliche Charakter hätte in der Form nicht beibehalten werden können, und auch da wäre eine Abwanderung zu verzeichnen gewesen. Dennoch wäre die Situation eine gänzlich andere gewesen, denn die deutsche Bevölkerung hatte ein anderes Verhältnis zum Land, eine Gemeinschaft und Traditionen, all das, was in Jahrhunderten gewachsen ist, und was die jetzige Bevölkerung noch nicht entwickeln konnte.

Woitzdorf / Vojtiskov gehört in der aktuellen politischen Konstellation zu Klein Mohrau / Mala Morava, wo sich auch für die anderen umliegenden Gemeinden die Verwaltung befindet.

Hier eine besondere Rarität, eine Luftaufnahme des Mittelorts von Woitzdorf. Das besondere daran ist die Enstehungszeit: Mitte 1946, die Zeit der Vertreibung.
Der gleiche Bildausschnitt 60 Jahre später
© 2010 by Heinrich Winter